Nordwesten - jeden Tag ein Highlight?!

Haben wir uns hier verstiegen?

Nachdem wir mit Rosinante wieder alleine sind, nutzen wir den letzten sonnigen Tag, die felsigen Traumstrände im Nordwesten zu erwandern. Vom Capo Testa bis Isola Rossa wurden fast an jedem Strand Wanderpfade durch die Dünen angelegt, Kraxelei durch die Felsen stets inbegriffen. 

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Zum ersten Mal seit zwei Wochen wird es windig und man kann endlich richtige Wellen beobachten. Surfer und Kite-Surfer, die das ruhige Wetter zuvor zur Zwangspause verurteilt hatte, kommen sofort aus ihren Löchern hervorgekrochen.

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Es ist der 1. Mai 2018. Auf Sardinien regnet es wie aus Kannen, überall, den ganzen Tag. In unserer Wetter-App beobachten wir verschiedene Orte: Ólbia bricht mit 81 mm Niederschlag alle Rekorde. Wir sind an der Nordwestküste nördlich von Isola Rossa und haben mit nur 30 mm Regen echt Glück. 

Für die Italiener muss die Welt zusammen brechen. Zweimal in den letzten fünf Jahren haben wir den 1. Mai in Italien verbracht und dem Volksfest bewohnen dürfen: alle, wirklich alle, machen sich auf die Beine. Schnappen Grill, Wurst, Wein, Oliven, Brot und den bequemen Stuhl für die Oma zum nächsten Picknickplatz. Oder fahren in die nächste Kleinstadt, flanieren an der Strandpromenade entlang und futtern sich an den aufgebauten Ständen durch. 2018 sind alle Straßen leer, bei 30 mm Regen möchte man nicht einmal Hund vor die Tür schicken. 

Wir sind die einzigen, die mit Goretex-Ausrüstung, unter der Kapuze vorschielend durch die Altstadt von Aggius schleichen, trotzdem schon ich 20 Minuten durchnässt am Auto ankommen und dann, immer noch nicht entmutigt, zur Nuraghe Majori fahren. Die Sarden, die uns durch ihre geschlossenen Fenster beobachten, halten uns sicher für vollkommen bekloppt. Und irgendwie haben sie auch recht.

Trübe Aussichten…

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Der Abend wird jedoch zum Highlight. Haben wir schon erwähnt, dass jeder Tag auf Reisen mindestens ein Highlight zu bieten hat? Wir essen im Agriturismo Muto del Gallura sardische Hausmannskost. Die Auswahl ist klein, aber was angeboten wird, haben wir bisher auf keiner anderen Speisekarte gesehen - allein das ist schon den Besuch wert! Brotsuppe, Spanferkel, Wildschweinbraten und Seadas, ein traditionell sardisch-fluffiges Ricotta-Teilchen, warm serviert in einer „Wolke“ von Zucker oder einem „Schleier“ von Honig. Müssen wir noch mehr ins Detail gehen?

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Der nächste Tag sieht ähnlich aus: das Thermometer fällt auf 10°C, tief hängende Wolken regnen sich aus. Die Flüsse und Bäche steigen. Auf dem Stellplatz bei der Terme di Casteldoria wollen wir übernachten, aber die Zufahrt sieht schon eher aus wie ein kleiner See. Unsere afrikanische Flussdurchfahrt-Erfahrung lässt uns stoppen. Wir stellen uns vor den „See“ und sehen, wie wenig später ein deutsches WoMo an uns vorbei durchs Wasser zum Stellplatz pflügt. Unerfahren oder dumm? Oder vielleicht beides? Jedenfalls steigt das Wasser unaufhaltsam. Noch eine Stunde später kommt der italienische Katastrophenschutz mit Blaulicht. Das deutsche WoMo wird „evakuiert“. Auch wir werden aufgefordert, den Ort zu verlassen. Die Straße wird hinter uns gesperrt. Es ist 20 Uhr.

Nach mehr als 1000 Reisetagen lässt man sich durch so einen Zwischenfall überhaupt gar nicht aus der Ruhe bringen und findet einen optimalen Übernachtungsplatz wie folgt: Lass dir in maps.me (oder deiner Lieblings-Karten-App) alle Parkplätze, Picknickplätze, Friedhöfe, Schwimmbäder und Sportplätze der Umgebung anzeigen. Suche einen Platz heraus, der an einer Straße dritter Ordnung weit ab von der nächsten Hauptstraße und er nächsten Ortschaft liegt. Sackgassen, Wald- und Wanderparkplätze werden bevorzugt. Da kommt kein Mensch nachts! Heute wählen wir den Parkplatz am Fuß des Castel Doria und schauen von dort wie Simba vom Fels über sein Reich: mitten in der Natur, auf einer kleinen Anhöhe mit Rundumblick, absolut ruhig. Ein optimaler Übernachtungsplatz ist gefunden! 

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Der Highlights genug heute? Nein, wir essen noch Moräne. Getigert liegen die Stücke aus sardischen Gewässern in der Pfanne und sehen in der Tat etwas gewöhnungsbedürftig aus. Wir sollen aufpassen, dass sie nicht aus der Pfanne hüpft. Ist sie vielleicht bei falscher Zubereitung giftig? Wohl bekomm’s! Solche WhatsApp-Kommentare unserer Familie begleiten die Zubereitung. Das Ergebnis: sehr feines, zurückhaltendes Aroma, zartes, weißes Fleisch. Nur leider mit etwas zu viel winzigen Gräten durchzogen. 



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