Zurück in Peru I: Eine Reise durch die Vergangenheit
(entlang der Pazifikküste nach Süden)

Beherbergt die Señora de Cao.


Seit wir reisen, haben wir neue Dimensionen entdeckt: Vollmonde, Breiten- und Längengrade mit Höhenmetern, Klima- und Zeitzonen, Ebbe und Flut und sogar das Reisen durch Jahrtausende. Alles Dinge, für die wir zu Hause - an einem Fleck - keine Fühler haben. 


Vollmond, Springflut und Tsumanis

Bei der Einreise nach Peru aus Ecuador ist fast Vollmond, würden wir das zu Hause überhaupt mitbekommen? Im warmen Wohnzimmer auf dem Sofa sitzend und dazu noch mit wolkenverhangenem Himmel? 

Wer in der Natur schläft, der singt jeden Abend eine knappe Stunde später „der Mond ist aufgegangen" und wundert sich nach einer Woche über die "Sack-Raben-Nacht". Seit wir an der Pazifikküste sind, haben wir auch wieder unsere Tiden-App im Einsatz. Weil es gut ist zu wissen, ob man bei einem mehrstündigen Strandspaziergang auch wieder über den trockenen Strand zurück kommt, oder ob für die Nacht eine Springflut angesagt ist, wenn man beim Rauschen der Wellen einschläft. Aber was denken wir über eine Springflut nach? Fast überall an den Stränden wird auf die Evakuierungswege für einen Tsunami hingewiesen. Erdbeben, Vulkanausbrüche, Tsunamis - auch das sind neue Dimensionen, über die man beginnt nachzudenken, weil sie einem in Peru alltäglich vor Augen geführt werden.  

Entlang der Küste gibt es das Hinweisschild „Zona affectada pro FEN“. FEN steht für fenómeno el niño. Das Schild warnt vor Straßenschäden, die durch El-Niño-Überschwemmungen verursacht wurden. Hier sieht es aus, als ob die komplette Teerdecke gleichzeitig nach rechts und links, oben und unten verschoben worden wäre.


Humboldt-Strom und Klima 

Das nächste, was uns beschäftigt, ist der Humboldt-Strom. Haben wir auf dem Weg nach Norden auf Wärme gehofft, erwarten wir jetzt sehnsüchtig kühlere Nächte. Der kalte Humboldt-Strom macht’s möglich, da wir ja an der Küste entlang fahren. Aber wie weit müssen wir fahren, um das zu merken? Gar nicht weit! Nachdem wir den „dicksten Bauch von Südamerika“, d. h. den westlichsten Punkt, hinter uns haben, fällt das Thermometer nachts auf 25° - 23° - 21° - 20° C. Das finden wir jetzt ziemlich kühl und ziehen uns abends einen Pulli drüber… Kein Witz! Bis Cusco kommen noch 3500 Höhenmeter dazu, dann sind die Temperaturen nachts einstellig. Was wollen wir mehr? 

Mit jedem Grad, das der Humboldt-Strom kälter wird, wird die Landschaft allerdings wüstenhafter. Der Übergang geht so schnell, dass wir es kaum fassen können. Es wächst kein Grashalm mehr. Es sieht aus wie in der Atacama - stundenlang. Ebenso wenig fassbar ist es, dass sich hinter der nächsten Düne ganz plötzlich eine grüne Ebene ausbreitet. Zuckerrohr, Bananen, Maracuja-Plantagen, Mais. Fata Morgana? Nein, die Wüste, die sich entlang der gesamten Küste Perus entlang zieht, wird von grünen Flusstälern unterbrochen. Die Flüsse entspringen in den Anden und werden durch die Regenfälle dort gespeist. An der Küste regnet es fast nie. Die Flüsse bringen nicht nur Wasser, sondern auch Mineralien mit, die die Flussmündungen in fruchtbare Kornkammern verwandeln. Wohlgemerkt - grün ist es nur um die Flüsse herum, das zeigt das Bild aus GoogleMaps. Auch nur einen Meter hinter dem letzten Bewässerungsschlauch wächst kein Grashalm mehr. In El-Niño-Jahren kehrt sich die lebensspendende Kraft des Wassers allerdings in einen Fluch um. Wir sehen noch drei Jahre später die verheerenden Auswirkungen des El Niño von 2017!

Aussichtspunkt in Túcume: Reisanbau in Flussnähe, 100 m daneben Wüste. 


In jedem Flusstal und jedem Jahrtausend eine neue Kultur 

Und jetzt kommt der Clou! Das Wissen über Bewässerung, Regenzeiten und das El-Niño-Phänomen wurde in Peru das erste Mal schon vor 5000 Jahren genutzt. Um Caral am Rio Supe entwickelte sich 3000 v. Chr. die zweitälteste (bisher entdeckte) Hochkultur nach Mesopotamien. Im Moment sind dort 60 Archäologen aktiv - es ist noch längst nicht alles entdeckt. Man sieht sie, wie sie buddeln, graben, die Erde bewegen, das Land vermessen und mit Pinseln Steine säubern. Da find ich Meteorologie dann doch interessanter... 

Die Caral-Kultur ist zwar die älteste, aber in jedem Flusstal entlang der Küste haben sich in mehr oder weniger früher Zeit (längst vor der Eroberung durch die Spanier und längst vor den Inkas) eigenständige Kulturen entwickelt, die das Wasser aus den Anden zu nutzen wussten. In einem Museum wurde der gesamte Küstenstreifen des nördlichen Peru als das größte Bewässerungssystem der Welt dargestellt. Wenn man den Blick etwas einschränkt und die Wüste dazwischen ausblendet, kann man sich mit dieser Sichtweise durchaus anfreunden. Nicht selten wird der Untergang dieser Kulturen aber auch dem Wasser, dem vernichtenden El-Niño-Phänomen, zugeschrieben. Besonders große Überschwemmungen zwangen die Menschen, ihre Siedlungen zu verlassen und in höhere Lagen zu ziehen. Die Schlammschichten haben die Stätten bis heute „konserviert“. Der letzte El Niño von 2017 hat jetzt allerdings zum Teil freigelegte Stätten unwiderruflich weggeschwemmt. 

So finden wir, dass das berühmte Machu Picchu in der Tat sehr beeindruckend ist - und zwar mehr wegen seiner unübertrefflichen Lage als wegen der Inka-Kultur. Im Vergleich zu dem, was wir entlang der Küste von Flusstal zu Flusstal entdecken, ist Machu Picchu total überbewertet. Aber: Gutes Marketing ist alles! Ohne die Quer-Finanzierung aus Machu Picchu (90 % der Touristik-Einnahmen Perus kommen aus Cusco und Machu Picchu) könnten die archäologischen Stätten aus der Vor-Inkazeit wohl nicht überleben. Wir selbst haben für den 1-Tages-Besuch von Machu Picchu ca. 600 USD hingeblättert, der Eintritt der archäologischen Stätten an der Küste bewegt sich zwischen 4,10 USD und 11,80 USD für zwei Personen. 

Wir haben tatsächlich an fünf aufeinander folgenden Tagen und über eine Distanz von 700 km täglich eine andere archäologische Stätte besucht, jede für sich einzigartig, jede ein Highlight! Auch wenn wir die Tumbas reales de Sipán, Huaca de la LunaAspero und Chavin, mitzählen, die wir bei unserer Fahrt nach Norden besichtigt haben, bleiben noch weitere Schätze, die wir entdecken könnten.

Tonrelief aus Túcume.


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