Tierradentro - Abstieg in das Reich des Todes

Tierradentro - bemalte, in den Fels gehauene Grabkammern fünf Meter unter der Erde. 

Über zwei Monate ist es her, dass uns in Peru die ausgegrabenen „Steine“ der Moche-Kultur fasziniert haben. Es ist nicht nur Zeit, wir haben auch richtig Lust, uns nach so viel kolumbianischer Kaffee-Kultur der Gegenwart, der präkolumbianischen Seite des Landes zu widmen. 

Als erstes wandern wir in der mitten im Urwald gelegenen archäologischen Anlage Tierradentro (circa 600 v Chr - 600 n Chr) von Grabfeld zu Grabfeld und steigen in die bis zu fünf Meter unter der Erde liegenden Grabgewölbe - da wird man tatsächlich ein bisschen vom archäologischen Fieber angesteckt. 

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Grabbeigaben in Tierradentro. Sag einer, Emojis seien eine Erfindung der Gegenwart.

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Schon die Treppen zu den Gräbern - weitestgehend original, einzelne Stufen bis 80 cm hoch - üben eine eigene Faszination aus und erfordern sportlichen Einsatz. Unten tun sich in den Felsen gehauene Gewölbe auf, in denen bis zu 100 Urnen standen. Die Urnen wiederum waren so groß, dass die Toten als Päckchen zusammengekauert darin Platz fanden. Allerdings wurden die Toten erst fünf Monate „abgelagert“, tut mir leid für die pietätlose Ausdrucksweise. Erst im zweiten Schritt wurden die Überreste in die großen Tonurnen umgebettet.



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Wir übernachten im nahegelegenen Bergdorf San André, ursprünglicher und noch viel ärmer geht’s nicht. Aber die kleine Dorfkirche ist ein echtes Kleinod. Nach einem Brand wurde sie ziemlich getreu nach altem Muster wieder aufgebaut und erinnert stark an die strohbedeckten Kirchen auf dem peruanischen Altiplano. Unsere Bleibe, eine Wiese unter Mandarinen- und Mangobäumen ist herrlich, wäre da nicht die absolut heruntergekommene, dabei saubere, Toilette und Dusche. Das Häuschen der Besitzer sieht nicht besser aus. Wir bezahlen 2,70 EUR für die Nacht - davon kann man in der Tat keine Renovierung bezahlen, tanken vom kristallklaren Bergwasser und sind einmal mehr heilfroh, dass wir bezüglich Küche, Toilette und Dusche vollkommen autark sind. 


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Abends werden wir Zuschauer bei der Sportstunde der Dorfjugend. Zuschauer und Zuhörer, denn natürlich geht’s in Kolumbien nicht ohne lautstarke Musik: Aufwärmen, Zirkeltraining, zum Abschluss ein Staffellauf - alles im Techno-Rhythmus.

Hier in den Tropen gibt es fast in jedem auch noch so abgelegenen Dorf einen überdachten Sportplatz, eine offene Halle mindestens in Basketballfeld-Größe. Die Sportstunde müsste sonst wohl jedes zweite Mal wegen Regenguss oder Überflutung ausfallen oder es gäbe statt Staffellauf am Ende eine Schlammschlacht. 

Ohne Musik geht es in Kolumbien nicht: Wenn die Musik im Restaurant nicht dem eigenen Geschmack entspricht, dann macht man einfach seinen Kofferraum auf und beschallt das Restaurant und die ganze Straße gleich mit.

Die Weiterfahrt nach San Agustín (über La Plata - Tarqui) gestaltet sich „abwechslungsreich“: ganz gezielt hört der Teer auf, 50 m bis 100 m rumpeln wir über Erdpiste, dann geht die Teerstraße weiter. Das wiederholt sich alle ein, zwei Kilometer. Die Teerstraße ist allerdings selbst für Kolumbien ungewöhnlich schlecht: gewellt, gefaltet, mit Schlaglöchern durchsetzt. Wir fahren durch ein Gebiet geologischer Verwerfungen. Schon aus Peru und Ecuador kennen wir das: an Stellen, an denen ein Erdbeben eh die Straße demnächst auseinander reißt, hebt oder senkt, teert man nicht. Es hat so und so keinen Zweck.

Zusätzlich bietet dieser Straßenabschnitt alles, was wir unter „Kuriositäten“ abbuchen: eine Mutter mit ihren drei Kindern auf einem(!) Moped, auch eine Babywippe im Arm ist auf dem Moped nichts Besonders; eine quiekende Sau auf dem Tuk-Tuk, Modell Lieferwagen; Eselskarren; Männer mit baumelnden Macheten um die Hüfte und in der Nacht 30 Prozent der Mopeds und Autos ohne Licht. Möchte nicht wissen, wie viele Verkehrstote es hier gibt. Aber - wir müssen zugeben, dass wir bisher kaum einen Unfall gesehen haben. Jeder rechnet wohl mit dem Schlimmsten, hält die Augen auf und den Fuß auf der Bremse, wenn auch im letzten Augenblick.

Heute passieren wir auch drei Polizeikontrollen, die zwar fast jeden anhalten und Dokumente kontrollieren, sich aber um die von uns aufgezählten Kuriositäten nicht kümmern. Auch uns würdigen sie keines Blickes. Ausländer werden nicht behelligt. Befehl von oben? Immerhin - das Militär salutiert.

Google Maps: (2.572243, -76.036602), Höhe ü NN: 1685 m, Temperatur (tags/nachts): 25° / 17° C



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